Nach medizinischen Experimenten ermordet: Ergreifende Ausstellung im Märkischen Gymnasium über die „Kinder vom Bullenhuser Damm“

Unmittelbar vor Kriegsende wurden im Keller eines zuletzt als KZ-Außenlager genutzten ehemaligen Hamburger Schulgebäudes 20 jüdische Kinder und mindestens 28 Erwachsene von SS-Männern ermordet. Zuvor waren die Kinder im KZ Neuengamme zu grausamen pseudomedizinischen Versuchen missbraucht worden.  

Das Schicksal der Kinder vom Bullenhuser Damm ist inzwischen intensiv aufgearbeitet worden und nun auch Thema einer Ausstellung im Märkischen Gymnasium Schwelm. 

Zu verdanken ist dies der AG Stolpersteine, die sich nicht zum ersten Mal mit den hier behandelten Verbrechen befasst. Mitglieder der Stolpersteingruppe haben bereits die Gedenkstätte Bullenhuser Damm besucht. Mit finanzieller Unterstützung der Erfurt-Stiftung wurde zudem ein Katalog über die Wanderausstellung der Vereinigung „Kinder vom Bullenhuser Damm“ ermöglicht.

Zur Eröffnung im Atrium der Schule begrüßte die AG Stolpersteine Bürgermeister Stephan Langhard und Lothar Feldmann als Vorstand der Erfurt-Stiftung. Die Pädagogin Anke Buetz, die die AG leitet, ihre Stellvertreterin Susanne Hamm und die Schülerinnen führten die Gäste durch die Präsentation, die wohl keinen Betrachter unberührt lässt. 

Die ermordeten jüdischen Kinder waren 5 bis 12 Jahre alt, stammten aus Frankreich, Italien, der Slowakei, Polen und den Niederlanden und waren zuvor ins Konzentrationslager Auschwitz verschleppt worden. Von dort wurden sie auf besonders perfide Weise für medizinische Versuche ins KZ Neuengamme verbracht. „Man lockte die Kinder in ihrer Verlorenheit mit ihrer Sehnsucht nach der Mutter in die Falle“, weiß Anke Buetz. Man versprach ihnen ein Wiedersehen mit der Mama und so ließen sich gerade die kleineren Kinder mitnehmen, ohne zu ahnen, was man mit ihnen vorhatte. 

Bevor sie erhängt wurden, waren die Mädchen und Jungen medizinischen Experimenten unterzogen worden von Ärzten, die sich mit der Entwicklung eines Impfstoffs gegen Tuberkulose ein Renommee verschaffen wollten, wie die Lehrerin Susanne Hamm betonte. So wurden den Kindern lebende Bakterien unter die Haut gespritzt. Hohes Fieber, Husten und Schwäche waren die Folgen. Dann wurden den Mädchen und Jungen noch die Lymphknoten unter den Achseln entfernt, was ihnen große Schmerzen bereitete. 

Mit den Kindern starben am Bullenhuser Damm zwei niederländische Häftlingspfleger und zwei französische Häftlingsärzte – Zeugen der Experimente – ebenso wie russische Kriegsgefangene. Da der Tatort zu diesem Zeitpunkt nicht als Schule genutzt wurde, bekam niemand etwas von dem Verbrechen mit.

Nicht untypisch war, dass die Aufklärung dieser Untaten nur schleppend vorankam. Zwar wurden sechs der Täter unmittelbar nach dem Krieg in britischen Prozessen zum Tode verurteilt, doch der beteiligte Arzt Dr. Kurt Heißmeyer konnte noch 20 Jahre lang unerkannt praktizieren und wurde erst 1966 zu lebenslanger Gefängnisstrafe verurteilt. Jahrzehntelang waren die Morde fast vergessen. Dann erschien 1987 Fritz Bringmanns Buch „Kindermord am Bullenhuser Damm“. Und der „stern“-Journalist Günther Schwarberg und seine Frau Barbara Hüsing nahmen die Suche von Angehörigen der ermordeten Kinder auf. 

So erfuhren Angehörige erst von diesem Zeitpunkt an vom Schicksal ihrer ermordeten Familienmitglieder. Heute ist die ehemalige Schule eine Gedenkstätte.

Erinnerung und Gedenken sollten stets in dem Bemühen geschehen, den Opfern ihre Würde zurückzugeben. Die Wanderausstellung leistet dies auch dadurch, dass sie, sofern dies möglich war, weitgehend Bilder der Kinder verwendet, die sie vor der Gefangennahme zeigten, als private kleine Menschen mit Hoffnung und Wünschen für ihr Leben. 

Die Ausstellung fragt, wo Diskriminierung beginnt und wo sich im Alltag Vorurteile verfestigen, die dann zur Ausgrenzung von Mitmenschen führen. Sichtlich berührt bedankte sich Bürgermeister Stephan Langhard für das Engagement der AG Stolpersteine. Besonders dankte er „für die intensive Aufklärung auch über die lokalen Grenzen hinweg über die Verbrechen in der Zeit des Nationalsozialismus, über die zu forschen und zu sprechen wir nie aufhören dürfen!  

Schwelm, den 17. Januar 2023