Philosophie

HABE DEN MUT, DICH DEINES EIGENEN VERSTANDES ZU BEDIENEN.

Immanuel Kant

DER GEGENSTAND DES PHILOSOPHIEUNTERRICHTS

Die naheliegende Antwort auf die Frage nach dem Gegenstand des PhU ist natürlich “die Philosophie“. Diese Antwort ist jedoch unbefriedigend, da sie bereits ein Wissen darüber voraussetzt, was Philosophie denn überhaupt ist. „Was ist“- Fragen beantwortet man im Allgemeinen mit einer Definition des infrage stehenden Begriffs, in unserem Fall also mit einer Definition des Begriffs „Philosophie“. Die Einschränkung “im Allgemeinen“ ist hier in der Tat notwendig, denn leider ist der Begriff „Philosophie“ nicht, jedenfalls nicht kontextunabhängig zu definieren.

Wer einen Physiker fragte, was Physik sei, würde u.U. folgende (nicht ganz ernst gemeinte) Antwort erhalten: „Physik ist genau das, was wir als Physiker machen“. Vielleicht würde er aber auch sagen, dass dies eigentlich schon eine philosophische Frage sei, und den Fragesteller an die Wissenschaftstheorie als Metatheorie der Physik verweisen. Der Begriff der Physik kann nämlich in der Sprache der Physik nicht definiert werden. Denn die Physik ist die objektsrachlich formulierte Objekttheorie der Natur, die Wissenschaftstheorie der Physik hingegen ist die metasprachlich formulierte Theorie der Theorie der Natur, mithin Metatheorie. Was sich in dieser Weise von allen Fachwissenschaften zeigen ließe, gilt jedoch für die Philosophie nicht in gleicher Weise. Sie kann ihre Metatheorie – also die Untersuchung dessen, was Philosophie sei – nicht an eine Meta-Metatheorie übertragen; denn die Wissenschaftstheorie als Metatheorie der Wissenschaften ist selbst schon eine philosophische Disziplin. Insofern aber die begriffliche Bestimmung der Philosophie selbst ein Produkt der philosophischen Reflexion von Philosophen ist, die ein je eigenes Philosophieverständnis haben, kann man nicht unabhängig von diesen Philosophiekonzepten (und d.h. kontextunabhängig) definieren, was Philosophie sei.

Eine kleine Erzählung vom Anfang des Philosophierens muss daher an dieser Stelle genügen, um immerhin anzudeuten, was in der Antike unter Philosophie verstanden worden ist.

DIE ANFÄNGE DER PHILOSOPHIE

Als erster Philosoph wird seit Aristoteles der Milesier Thales benannt, der im 6. Jhdt. v.Chr. lebte. Über diesen Thales berichtet der Philosoph Platon Folgendes:

“Als Thales die Sterne beobachtete und nach oben blickte, und als er dabei in einen Brunnen fiel, soll eine witzige und geistreiche thrakische Magd ihn verspottet haben: er wolle wissen, was am Himmel sei, aber es bleibe ihm verborgen, was vor ihm und zu seinen Füßen liege.“

Der Philosoph im Brunnen ist allerdings eine kuriose Erscheinung. Platon aber gibt dieser Geschichte eine ernsthafte Wendung:

“Der gleiche Spott trifft alle, die in der Philosophie leben. Denn in Wahrheit bleibt einem solchen der Nächste und der Nachbar verborgen, nicht nur in dem, was er tut, sondern fast auch darin, ob er eine Mensch ist oder irgend ein anderes Lebewesen. […] Wenn er vor Gericht oder irgendwo anders über das reden muss, was zu seinen Füßen oder vor seinen Augen liegt, ruft er Gelächter hervor, nicht nur bei Thrakerinnen, sondern auch beim übrigen Volk; aus Unerfahrenheit fällt er in den Brunnen und in jegliche Verlegenheit; seine Ungeschicklichkeit ist entsetzlich und erweckt den Anschein der Einfältigkeit.“

Doch nun kommt das Entscheidende:

„Was aber der Mensch ist, und was zu tun und zu erleiden einem solchen Wesen im Unterschied von den anderen zukommt, danach sucht er und das zu erforschen müht er sich.“

Platon will sagen: wenn es um das Wesen der Gerechtigkeit und um andere wesentliche Fragen geht, dann wissen die anderen nicht aus noch ein und machen sich lächerlich; dann aber ist die Stunde des Philo­sophen gekommen. Jetzt versteht man, warum Aristoteles und viele andere Thales aus Milet als den ersten Philosophen bezeichnen. Es geht ihm nicht um die Dinge, sondern um das Wesen der Dinge. Er will dahinter kommen, was es in Wahrheit mit dem auf sich hat, was sich in so vielfältigen Gestalten in der Welt findet: mit den Bergen, den Tieren und den Pflanzen, mit dem Wind und den Sternen, mit dem Menschen, seinem Tun und seinem Denken. Was ist das Wesen von alledem, fragt Thales. Und weiter: woher kommt, woraus entspringt das alles, was ist das Eine, das alles umfassende Prinzip, das macht, dass alles wird und ist und besteht? Das sind, wenn auch von ihm nicht so ausgesprochen, die Grundfragen des Thales, und indem er sie als Erster stellt, wird er zum „Anfänger“ der Philosophie.

INHALTE DES PHILOSOPHIEUNTERRICHTS

Der Philosoph, so lehrt uns die Geschichte von Thales, ist eine kuriose Figur, der über die vor ihm liegenden Dinge staunt, da er mit ihnen nicht umgehen, sie nicht be-greifen kann, und ihnen daher allein mit den Mitteln seines Verstandes (seiner Vernunft) auf den Grund zu gehen versucht. (Manchmal tut er das so intensiv, dass er darüber Um- und Mitwelt schlichtweg vergisst.) Zwischen Staunen und Beantworten liegt notwendigerweise das Fragen, so dass dieses Ergründen der Welt, an dem der Philosoph sich abarbeitet, i.e.S. mit grundsätz­lichen Fragen beginnt, Fragen, deren grundsätzlichste vielleicht diejenigen sind, die der Philosoph ImmanuelKant zur Charakterisierung der Philosophie anführt:

1. Was kann ich wissen?

2. Was soll ich tun?

3. Was darf ich hoffen? Und

4. Was ist der Mensch?

Diese vier kantischen Grundfragen sind es auch, die den Philosophiekurs in der Oberstufe strukturieren.

So wird in 11.2, nachdem im ersten Halbjahr der 11 eine “Einführung in die Philosophie“ erfolgt ist, die letzte der kantischen Grundfragen unter dem Thema: “Probleme der Bestimmung des Menschen“ behandelt werden. Die zweite Grundfrage “Was soll ich tun?“ bestimmt den Inhalt des PhU in der Jgsst. 12: Probleme der Praktischen Philosophie. Dabei werden in 12.1 “Probleme des (individuellen) menschlichen Handelns“ (d.h. die Ethik), in 12.2 hingegen Probleme des sozialen Handelns (d.h. “Probleme von Politik, Recht, Staat und Gesellschaft“) oder “Probleme des Geschichtsverständnisses“ ventiliert. Die erste Grundfrage wird ausführlich unter dem Thema “Probleme des Erkennens und Denkens“ in 13.1 erörtert werden, die 3. Grundfrage schließlich kann mögliche Inhalte der Jgsst. 13 beschreiben: etwa “Probleme von Metaphysik und Ontologie“ oder “Probleme der Religion“.

UNTERRICHTSVERFAHREN

Da wir im PhU also versuchen werden, Kraft unserer eigenen Vernunft und so gut es eben geht die o.g. Grundprobleme der Philosophie zu lösen, Vernunft sich aber diskursiv, d.h. im Gespräch (mit sich selbst oder anderen) vollzieht, ist das philosophische Gespräch das wesentliche Verfahren des PhU.

Diese anderen, mit denen wir im PhU ins Gespräch kommen wollen, sind jedoch nicht nur die Kursmitglieder oder der Lehrer, sondern auch und besonde­rs die Philosophen selbst, die im Verlauf der Philosophiegeschichte, eine Antwort auf die Grundfragen der Philosophie zu geben versucht haben. Da die Antworten der philosophischen Tradition i.d.R. in der Form von Texten vorliegen, ist neben der schon genannten textfreien Problem- und Sacherörterung, die textgebundene Problem- und Sacherörterung das zweite wesentliche Unterrichtsverfahren. Dabei geht es selbstverständlich nicht einfach nur um das Reproduzieren gegebener Antworten der philosophischen Tradition, sondern um die persön­liche Auseinandersetzung mit philosophischen Texten, mit dem Ziel zu einer eigenen Antwort auf subjektiv interessierende philosophische Fragen zu gelangen.

Selbstverständlich verlangen beide, die textfreie und die textgebundene Problem- und Sacherörterung bestimmte metho­dische Kompetenzen, die im PhU grundgelegt und im Verlauf des Philo-Kurses eingeübt werden müssen.

Schließlich gibt es, wie in anderen Fächern auch, die Möglichkeit zum projektorientierten und fächerübergreifenden oder fächerverbindenden Arbeiten.

NÜTZLICHE LINKS

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