Fritz Helling – ein bekannter Schwelmer erfährt Anerkennung / Erfurt-Stiftung lud zur Vorstellung von Jürgen Spraves Werkausgabe ein

Dr. Fritz Helling arbeitete von 1917 bis 1933 als Lehrer am Schwelmer Gymnasium. 1945 erhielt er von der britischen Besatzungsmacht den Auftrag, die Leitung dieser Schule zu übernehmen. In den folgenden Jahren entwickelte er eine Schul- und Unterrichtsreform: Schüler, Eltern und Lehrkräfte gingen eine enge Erziehungspartnerschaft ein, die Schule wurde in die Arbeits- und Berufswelt hinein geöffnet, Werkunterricht wurde in der Mittelstufe angeboten, in der Oberstufe hatten die Schüler Fächerwahlmöglichkeiten, der Unterricht wurde nach Grund- und Leistungskursen differenziert. Zudem wurden die Fächer Gegenwartskunde und Gesellschaftslehre in den Kanon aufgenommen. Damit legte er bereits Ende der 1940er Jahre das Fundament für die Einführung der Reformierten Oberstufe Anfang der 1970er Jahre, die bis heute die Struktur der gymnasialen Oberstufe prägt. Das Schwelmer Gymnasium leitete Helling bis 1951.

Im Oktober lud die Erfurt-Stiftung zur Vorstellung der Fritz Helling- Werkausgabe von Jürgen Sprave ein. Unser Foto zeigt v.l. Jürgen Sprave, früherer Schulleiter des MGS, Katharina Vogt, Schulleiterin des MGS, Dr. Urte Helling, Enkelin von Fritz Helling, Lothar Feldmann, Sprecher der Erfurt-Stiftung, vorne l. Hubert Schmidt, ehemaliger Helling-Schüler, und Dr. Hans Graf, ehemaliger Schulleiter des MGS. Foto: Susanne Schütte-Gerold

Jürgen Sprave ist einer der Nachfolger von Fritz Helling im Amt des Schulleiters. Er hat sich insbesondere nach seiner Pensionierung 2008 mit der Arbeit von Helling beschäftigt. Auf Einladung der Wilhelm-Erfurt-Stiftung erhielt er die Gelegenheit, in der Mensa des Märkischen Gymnasiums die dreibändige Ausgabe zu den von ihm herausgegebenen Werken von Helling vorzustellen. Nach der Begrüßung durch die Schulleiterin Katharina Vogt und durch Lothar Feldmann, den Sprecher der Stiftung, die seit langem z.B. Publikationen über Leben und Werk Fritz Hellings fördert, dankte Jürgen Sprave der Stiftung für die finanzielle Unterstützung zur Veröffentlichung der Werkausgabe im Peter-Lang-Verlag. 

Sprave führte aus, dass in einer mehr als 50-jährigen Schaffenszeit Helling weit über 100 Zeitschriftenaufsätze und Reden, ferner diverse Erklärungen und Appelle, dienstliche Texte und Eingaben, dazu 4 Monografien und 3 autobiographische Schriften verfasst hat. Im dritten Band befindet sich ein Werkverzeichnis. Zudem werden die Schriften und Reden in den Kontext ihrer Entstehung gestellt. Damit liegt eine historisch-kritische Werkausgabe vor. „Durch Berücksichtigung von Textvarianten aus dem Nachlass wird die Leseausgabe zur Studienausgabe, die im dritten Band auch Texte aus dem Umkreis des ‚Schwelmer Kreises‘ und anderer Foren bietet. Außerdem wird die Zeitschrift ‚Schule und Nation‘ als Organ des ‚Schwelmer Kreises‘ vorgestellt“, so Sprave weiter.

Helling verstand sich auch als politischer Pädagoge, der sich verpflichtet fühlte, sich aktiv in die Schaffung einer humanistischen Schule und ebenso humanistischen Gesellschaft einzubringen. Diese war für ihn sozialistisch orientiert, wobei er sich eine Verbindung aus christlicher Soziallehre und politischem Sozialismus vorstellte. Als Vorsitzender im ‚Demokratischen Kulturbund’ setzte er sich gemeinsam mit anderen Schulreformern für die Einführung eines reformierten, demokratischen Schulsystems ein. Dieser Kulturbund wurde 1951 als verfassungsfeindliche Organisation eingestuft, was Helling dazu veranlasste, einem Berufsverbot gegen ihn zuvorzukommen, indem er einen Antrag auf vorzeitige Versetzung in den Ruhestand stellte. Diesem wurde umgehend entsprochen. 1952 gründete er den ‚Schwelmer Kreis‘, in dem Pädagogen aus dem Westen und dem Osten des geteilten Deutschlands nach Wegen zur Wiedervereinigung in einer gemeinsamen demokratisch-sozialistischen Gesellschafts- und Wirtschaftsform mit einem einheitlichen Schulsystem suchten. Der ‚Schwelmer Kreis‘ und insbesondere Fritz Helling wurden bis in die 1960er Jahre vom Verfassungsschutz beobachtet. Das blieb der Öffentlichkeit nicht verborgen, in der er ohnehin abfällig als Kommunist abgetan wurde. 

Im zweiten Teil seiner Ausführungen benennt Sprave mehrere Ereignisse, die zur Rehabilitierung von Helling beitrugen. Ein erster Schritt zur Wiedergutmachung folgte 1967 mit der Einladung Hellings zur Einweihungsfeier der neuen Turnhalle. Nach weiteren 20 Jahren veranstaltete der Gewerkschaftsbund 1988 anlässlich eines Jubiläums im Märkischen Gymnasium eine Tagung über den ‚politischen Pädagogen‘ mit vielbeachteten Reden des damaligen Schulleiters Dr. Hans Graf und des Paderborner Pädagogikprofessors Dr. Wolfgang Keim, in denen die Person sowie Werk und Wirken Hellings als Schulreformer gewürdigt wurden. In der Festschrift zum Schuljubiläum 1997 fand Helling unter anderem durch einen Beitrag von Georg Dieker-Brennecke einen ihm gebührenden Platz. 2002 wurde im Haus Friedrichsbad ein wissenschaftliches Symposion zum Thema ‚Fritz Helling – Aufklärer und ‚politischer Pädagoge‘ im 20. Jahrhundert‘ abgehalten. 2016 wurde im Foyer des Gymnasiums eine Tafel in Gedenken an Fritz Helling enthüllt. Seit 1997 haben viele Aufsätze in den ‚Beiträgen zur Heimatkunde‘ und im ‚Journal für Schwelm‘ bzw. ‚Schwelmer Journal‘ und Reden zu unterschiedlichen Anlässen die Erinnerung an Fritz Helling und sein Wirken wachgehalten. 

Sprave erinnert auch an einen Wunsch, den der ehemalige Bürgermeister Rainer Döring in seiner Ansprache zum Schuljubiläum 1997 formulierte: „Es wäre schön, wenn dieses Jubiläum dazu beitrüge, einem Menschen wie Fritz Helling und seinen wesentlichen Ideen (…) posthum Anerkennung in unserer Stadt zu verschaffen.“ Jürgen Sprave und alle Teilnehmer der Veranstaltung, zu denen mit Herrn Hubert Schmidt auch ein ehemaliger Schüler von Helling und mit Dr. Urte Helling die Enkelin Hellings gehörten, sind sich darin einig, dass dieser Wunsch nach fast einem Vierteljahrhundert in Erfüllung gegangen ist.

Text: Wolfgang Thomas